Unsere Wünsche sind Vorgefühle der Fähigkeiten, die in uns liegen, Vorboten desjenigen, was wir zu leisten imstande sein werden.
Was wir können und möchten, stellt sich unserer Einbildungskraft außer uns und in der Zukunft dar; wir fühlen eine Sehnsucht nach dem, was wir schon im Stillen besitzen.
So verwandelt ein leidenschaftliches Vorausgreifen das wahrhaft Mögliche in ein erträumtes Wirkliches.
J.W. von Goethe, Dichtung und Wahrheit IX
Dieses Zitat von Goethe ging der Diskussion eines Online Forums, an dem ich regelmäßig teilnehme, voraus. Das Thema unseres Treffens war unter anderem Wunsch und Wille. Im Zuge unseres Austausches erzählte ich von einer Geschichte, die mir passiert ist und die ich nun auch dir erzählen möchte. Denn es zeigte sich damals etwas, was ich gar nicht zuordnen konnte und von dem ich nicht wusste, woher diese Gedanken eigentlich kamen.
Es war 2015 im März als ich mein geliebtes Islandpferd mit fast 30 Jahren einschläfern lassen musste. Es begleitete mich 17 Jahre lang und der Abschied war ein langer, tiefer Schmerz. Dennoch ermöglichte es mir den Gedanken nachzugehen, vielleicht wieder nach Deutschland zurückzukehren, und ich hatte verschiedene Ideen dazu. Berlin, Hamburg vielleicht, Städte, die mir gefallen. Immer wieder hatte ich aber ein Bild von einer grünen Landschaft in Deutschland und einer Pferdezucht. Nun bin ich zwar schon seit meiner Kindheit Reiterin gewesen, aber mit Zucht hatte ich nie etwas zu tun. Es war auch kein Wunsch in mir, aber das Bild war immer wieder mal da. Irgendwann verschwand es und ich dachte auch nicht mehr daran, geschweige denn suchte ich danach.
Anfang des Jahres 2019 entschied ich mich aus Gründen der Liebe tatsächlich nach Deutschland zu übersiedeln und wählte als vorläufige Station im Februar einen Ort in der Nähe von Koblenz aus. Das Haus in Mittelhof kaufte ich dann im Mai, der Umzug Richtung Koblenz erfolgte dann im Juli 2019. Auf einem Spaziergang irgendwann später sah ich dann Islandpferde auf den Koppeln stehen. 2021 kontaktierte ich aus Interesse die Besitzer, und daraus ist eine sehr gute Freundschaft geworden.
Irgendwann ergab es sich, dass ich während ihres Urlaubs auf die Tiere aufpasste, was ich seitdem regelmäßig in ihrer Abwesenheit mache. Jedenfalls stand ich eines Tages im Sommer auf der Koppel, blickte mich um und mein Bild von damals schob sich vor meine Augen. Ich befand mich in Deutschland, im Grünen und auf den Koppeln waren die Stuten und Fohlen einer Islandpferdezucht. Es war das erste Mal, dass ich wieder daran dachte!
Ich kann dir nicht sagen, woher das Bild 2015 damals kam. Ich weiß nur, dass es in diesem Sinne kein Wunsch war, es war wahrscheinlich eher eine Vision von etwas, das als Information schon da war. Es war auch keine innere Stimme, die mir gesagt hat, dass ich danach suchen soll. Aber meine innere Stimme – oder auch Intuition – sagte mir 2019, dass ich meine Zelte in Österreich nach 45 Jahren nun abbrechen kann und wieder zurück nach Deutschland gehen soll.
Nun gibt es ja zwei Möglichkeiten: 1.) man hört auf seine Intuition oder 2.) man hört nicht auf sie. Beides ist im Grunde genommen in Ordnung, man weiß nie, was sowohl das eine oder das andere mit sich bringt.
Was ich dir damit sagen möchte ist, dass es mich immer wieder – es gab mehrere solcher Momente in meinem Leben – weitergebracht hat in meinem Bedürfnis nach einem erfüllteren Leben, wenn ich auf meine Intuition oder innere Stimme gehört habe.
Sie unterscheidet sich stark von der Stimme des Verstandes, die wir natürlich brauchen, die uns aber sehr oft in unseren Begrenzungen hält. Mit Begrenzungen meine ich in erster Linie die Grenzen, die wir uns stecken und in denen wir uns bewegen.
Ich bin mir sicher, dass unser Leben uns sehr viele Möglichkeiten bietet und wir in uns eine Vielzahl von Potentialen haben, die wir nutzen könnten, es aber sehr oft aus Angst vor dem Ungewissen nicht tun. Sie drücken sich in unseren Wünschen aus, die wir allzu oft abtun. Mit Gedanken wie ‚ich doch nicht‘, ‚das kann ich nicht‘, ‚mir passiert sowas nicht‘, ‚Träume sind eben Träume‘, ‚Wünsch dir was war eine Fernsehsendung‘……etc.
Nochmal Herr von Goethe:
Unsere Wünsche sind Vorgefühle der Fähigkeiten, die in uns liegen, Vorboten desjenigen, was wir zu leisten imstande sein werden.
Ich finde, als Menschen haben wir nicht nur die Fähigkeit, sondern auch die Verpflichtung im Leben für uns und unsere Wünsche nicht nur einzustehen, sondern alles daran zu setzen, sie zu verwirklichen. Das bedeutet nicht, dass das Leben dadurch gleich einfacher wird, aber es wird bunter und vielfältiger. Und irgendwann wird es auch leichter, da wir unsere Bedürfnisse erkennen, sie nicht mehr unterdrücken, sondern im Einklang mit ihnen und uns selbst sind.